Mercedes-Benz ML 63 AMG; aus scheinbar unbedeutenden Buchstaben und Zahlen ergibt sich ein mieses Powerbündel, das sich auch ohne Probleme als Murcielago der SUVs bezeichnen lassen könnte. Stramme 510 PS, 630 NM bei 5200 U/min, fantastische fünf Sekunden von 0 auf 100 km/h. Das sind die Daten des brutalen „Super-Schickeria Geländesportwagens“ der Daimler AG. Werte, die nur noch vom Porsche Cayenne Turbo sowie dem Jeep Grand Cherokee SRT-8 im Konkurrenzkampf aufrecht erhalten werden können.
Die großartige Leistung des ML 63 ist dem Hochdrehzahl V8 aus dem Hause AMG zu verdanken. Dort wurde dieser auch komplett eigenständig entwickelt und versorgt heute den Großteil der aktuellen AMG-Flotte mit viel Leistung. Wobei auch gesagt sein muss, dass viele ML-Besitzer immer noch vom 55er Model überzeugt sind, da es mit seinem Kompressor die Charakteristik des typischen Lifestyle-SUV-Fahrers wiedergeben konnte. Und das trotz der doch beachtlichen Minderleistung von knapp 46 Prozent gegenüber dem aktuellen Model. Das könnte auch der Grund sein, warum die AMG-Version der G-Klasse nach wie vor von dem brachialen Vorgängermotor befeuert wird.
Dennoch lässt sich der Dialog aus Hochdrehzahl und großem Hubraum wunderbar im Alltag verwenden. Spontan steht auch in den niedrigen Drehzahlbereichen ausreichend Leistung zur Verfügung, die sich mit stetigem Gasniedergang immer brachialer entfaltet. Die Agilität und das perfekte Zusammenspiel des Motors mit dem 7-Gang Speedshift-Automatikgetriebe begeistert ungemein.
Die Wahl des Gangwechsels ist Ihnen überlassen, entweder Sie bedienen sich manuell der Schalttasten am Lenkrad oder überlassen der hervorragend arbeitenden Automatik die Wahl zwischen S (Sport) und C (Comfort). Auch das Fahrwerk arbeitet mit: Bei höheren Geschwindigkeiten wird die Karosserie automatisch abgesenkt, um mehr Stabilität und weniger Angriffsfläche zu bieten. Ein Verhältnis von 40 zu 60 sorgt für eine sportliche Auslegung und bietet auf Grund des permanenten Allradantriebs Traktion bis zum Abwinken. Dennoch hatte der Vorgänger durch den Kompressor mehr gefühlte Reinpressprestige. Ein klein wenig Emotion ist dadurch meines Erachtens verloren gegangen.
Die 19 Zöller mit 295er Breitwalzen lassen hier keine Kompromisse aufkommen. Vortrieb ist die Aufgabe und das wird auch jederzeit erledigt. Ein Tritt auf die Bremse und der Gurt hinterlässt einen schönen Abdruck auf Ihrem Oberkörper, so giftig packen die rundum belüfteten Bremsen zu. Dennoch kann ich Ihnen sagen, dass es wahrlich kein wirklich tolles Gefühl ist, in einer Notsituation von 250 auf 80 runterzubremsen. Die 2.3 Tonnen machen sich hier extrem bemerkbar, ebenso auch auf kurvigen Landstraßen. Dafür gibt es andere Automobile, die dies wesentlich souveräner erledigen können.
Grundsätzlich neigt man im ML 63 AMG mehr zum Cruisen als zum „Gaspedal-Scheuchen“. Ein paar Mal kurz die Muskeln spielen lassen ist spaßig, aber im Grunde genommen ist dies ja auch kein Rennfahrzeug, sondern ein Alltagsauto mit Spaßpowerbonus. So kam ich auch mit einer Tankfüllung über 500 Kilometer weit. Lässt man aber die Muskeln spielen, rücken die 500 Kilometer in weite Ferne. Wohlgemerkt mit einem Tankinhalt von 95 Litern.
Im Gegensatz zum Standard-M-Modell präsentiert sich die AMG-Version neben den AMG-Felgen mit einer sportlichen Front und Heckschürze, einem markanten Kühlergrill, aus Edelstahl gefertigten Trittbrettern und abgedunkelten Rückleuchten. Natürlich ist der ML durch die Kotflügelbreiterungen auch in der Breite gewachsen. Knurrig aber dennoch relativ dezent präsentiert sich die mit zwei Chromendrohren versehene Sportabgasanlage.
Auch im Innenraum wurden neue Akzente gesetzt. Neben den multifunktionalen AMG-Sportsitzen aus Nappaleder und Alcantara-Bestückung im Bereich der Schultern gibt es noch einige kleine Gimmicks wie Edelstahl-Sportpedale, AMG-Einstiegsleisten und Tachoanzeige bis 320 km/h. Diese braucht aber irgendwie kein Mensch, da schon 250 km/h mit dem Auto eine Höchstleistung an Konzentration erfordern und jede Menge Spritbesäufnisse. Bei eben dieser Geschwindigkeit wird typischerweise bei Mercedes abgeriegelt.
Wofür ich ein Race-Timer in dem Panzer brauche ist mir noch immer unersichtlich. Es soll ja aber einige Spaßvögel geben, die mit solchen Autos auch mal die Rennstrecke erproben wollen. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben. Mehr funktional als edel aber dennoch schick.
Der ML63 AMG ist superfunktional wie eh und je und lässt auch mal eine Fahrt zum Baumarkt zu, um sich mit jeder Menge Laminat vollpacken zu lassen. Dem stressfreien Alltag steht nichts im Wege mit diesem Auto.
Fazit: Dieses Auto braucht eigentlich kein Mensch. Ein 320 ML CDI erfüllt den Alltagszweck genauso exzellent und ohne Murren, säuft einem dabei aber auch nicht die Haare vom Kopf. Der flexible Geschäftsmann oder auch Familienvater mit ein wenig mehr Geldpuffer wird sich die Laune aber dadurch nicht versauen lassen und greift zum Monster-SUV, das die Beschleunigung und Agilität manch eines Sportwagens besitzt. Es gibt keinen wirklichen Grund dieses Auto vernünftig zu erklären. Ein richtig schönes Männerspielzeug eben, das ordentlich Laune macht – mit einem überraschend spritzigen Motor.
Text + Fotos: Mario-Roman Lambrecht