Mit einem rassigen zweisitzigen McLaren-Hochleistungssportwagen auf ganz normalen Straßen unterwegs sein – das soll für bis zu 1.000 Fahrzeuglenker bereits im Laufe des nächsten Jahres Realität werden.
Denn das seit mehr als drei Jahrzehnten in der Formel 1 so erfolgreiche britische Unternehmen macht ernst mit seiner bereits im letzten Herbst gemachten Ankündigung, künftig McLarens für jedermann zu bauen. Schon im ersten Halbjahr 2011 sollen die ersten McLaren MP4-12C unter dem Markenzeichen von McLaren Automotive aus den Fertigungshallen in Woking südwestlich von London rollen. Und bereits 2015 will man bis zu 4.000 Fahrzeuge jährlich in Großbritanniens modernster Autofabrik McLaren Production Centre bauen, deren 32.000 Quadratmeter großer Bau für 40 Millionen Pfund in seine abschließende Phase geht und an die längst vergangene aber unvergessene Tradition des einst berühmten britischen Automobilbaus anknüpfen soll.
Man hat sich viel vorgenommen im McLaren Technology Centre (MTC), unter dessen Dach neben dem im vergangenen Jahr gegründeten neuen Hersteller McLaren Automotive fünf weitere McLaren-Unternehmen von der eigenen Elektronikfertigung übers Marketing bis zu McLaren Racing aktiv sind – jenem Herzstück der McLaren Group, dessen in Jahrzehnten erworbener Erfahrungsschatz aus dem Hochleistungsmotorsport vor allem in der Formel 1 sowie bei den 24 Stunden von Le Mans, bei Indianapolis 500 und weiteren großen Rennserien in Europa und Nordamerika einfließen soll in die künftige Serienfertigung.
Denn der mithilfe von Testfahrern wie Lewis Hamilton und Jenson Button inzwischen über eine Million Meilen weltweit erprobte und bis zur Serienreife gebrachte zweisitzige 12C soll nicht nur ein weiterer Hochleistungsportwagen in seinem von wenigen großen Marken geprägten Segment werden. McLaren sieht ihn vielmehr als „den“ Sportwagen, der in jeder Disziplin gegenüber Ferrari, Lamborghini, Porsche und Co. die Nase einen Tick voraus hat.
Was das konkret heißt, brachte McLaren-Chef Ron Dennis soeben bei der 12C-Präsentation in Woking auf den Punkt. Mit seinem MonoCell genannten in einem Stück gefertigten Monocoque aus Kohlefaserverbundwerkstoff in Kombination mit einer Aluminiumstruktur wird er die innovativste Plattform mit der fortschrittlichsten Elektronik unter den Hochleistungssportwagen haben. Er wird leistungsstärker, sparsamer, leichter, sicherer, besser ausgestattet, außen kompakter und innen geräumiger, komfortabler und im Handling allen Konkurrenten überlegen sowie zuverlässiger und uneingeschränkt alltagstauglich sein.
Vor allem aber wird er, wie McLaren Automotive-Chef Antony Sheriff betonte, vom Antriebsstrang bis zum letzten Schalter in allen Teilen selbst entwickelt und maßgeschneidert durchweg echt McLaren sein. Und trotz eines beispielhaften Qualitätsniveaus und der konkurrenzlosen Carbon-Basisstruktur soll er erschwinglich bleiben – in einer Preisklasse zwischen 125.000 und 175.000 Pfund angesiedelt sein.
Für den Vertrieb wird ein globales Netz von erst einmal 35 Händlern in 19 Ländern aufgebaut, das bereits in der zweiten Jahreshälfte 2010 stehen soll, und dann werden sowohl die Bestellbücher für die derzeit bereits registrierten rund 1.600 ernsthaften Interessenten geöffnet als auch der endgültigen Preise und Daten für den 12C bekannt gegeben, mit dem man Mitte nächsten Jahres in Großbritannien und Europa an den Start gehen möchte. Es folgen Nordamerika, Mittelost und Südafrika und Asien/Pazifik. Die Verkaufsorganisation und insbesondere der Kundendienst für dieses Auto und die weiteren McLaren-Modelle der Zukunft sollen ebenso Maßstäbe setzen wie die Fahrzeuge selbst und alle bekannten Angebote im Segment der Premium-Hochleistungssportwagen in den Schatten stellen.
Noch stehen die endgültigen technischen Daten des 4,51 Meter langen, 1,90 Meter breiten und 1,20 Meter hohen und leer rund 1.300 Kilo wiegenden Zweisitzers nicht fest. Aber sein von McLaren zusammen mit Ricardo entwickelter 3,8-Liter-Biturbo-V8 aus Aluminium mit variabler Ventilsteuerung und einem Ansaugsystem sowie Ventildeckeln aus Hochleistungs-Kunststoffen, der kompakter ist als alle Triebwerke der Konkurrenz, wird um die 600 PS leisten und damit der stärkste in seiner Klasse sein. Sein maximales Drehmoment um 600 Newtonmeter bei 3000/min wird das bis zu 8.500/min drehende tief hinter dem Fahrer platzierte und die Hinterräder antreibende Triebwerk in klarem Kontrast zu einem Rennmotor in einer flachen dem Straßeneinsatz angepassten Kurve liefern. Und mit weniger als 300 Gramm CO2/km wird der mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ausgestatte 12C jedes PS effektiver erzeugen als jeder derzeit angebotene Benzin-, Diesel- oder Hybridantrieb.
Die bereits 2005 beschlossene und nun Realität werdende und lange gehegte Vision von McLaren für eine eigene Sportwagenfertigung hat eine durchaus bemerkenswerte Vorgeschichte. Denn schon 1993 hatte man mit dem F1 erstmals ein Straßenfahrzeug in größerer Stückzahl gebaut. Insgesamt 107 in Handarbeit gefertigte McLaren F1 sind zwischen 1993 und 1998 entstanden. Und gerade erst ist einer für 2,53 Millionen Pfund versteigert worden. Allerdings lag bereits der Neupreis dieses längst als Ikone moderner Hochleistungssportwagen geltenden McLaren F1 mit 654.500 Pfund in einem Bereich, der ihn nur für sehr wenige sehr gut betuchte Interessenten erschwinglich machte.
Seiner Fähigkeit zur Fertigung einer größeren Stückzahl von bis zu vier Fahrzeugen pro Tag bestätigte McLaren schließlich zwischen 2003 und Ende letzten Jahres mit dem Bau des Mercedes-Benz SLR McLaren. Entwurf und Design dieses in insgesamt 2.114 Exemplaren gefertigten Hochleistungssportwagens stammten allerdings aus Stuttgart. Seine Preise reichten von einem Einstiegpreis von 310.000 Pfund für die erste Version bis zu 750.000 Pfund für die abschließende auf 75 Exemplare limitierte Spezialversion SLR Stirling Moss. Doch sowohl der F1 als auch der Mercedes-Benz SLR McLaren haben McLaren zum erfahrensten Autobauer beim Einsatz von Kohlenfaserverbund für das Chassis für Straßensportwagen werden lassen.
Hier knüpft man mit dem 12C nun konsequent an. Der ist, auch wenn man bei Entwicklung, Erprobung und Produktion gezielt die beim Formel-1-Einsatz erworbenen Techniken und Fertigkeiten und die in diesem Bereich unvorstellbare Schnelligkeit bei Entscheidungen und ihrer Umsetzung sowie die Bereitschaft, immer wieder völlig neue Wege zu gehen, nutzt, ein von Beginn als Straßenfahrzeug konzipierter Sportwagen – und damit alles andere als ein für den Straßeneinsatz modifizierter Formel-1-Wagen.
Das schließt allerdings nicht aus, dass in ihm viele der von McLaren in der eigenen Elektronikentwicklung für den Renneinsatz entwickelten Techniken, die für den Einsatz in der Formel 1 laut immer wieder verändertem Reglement heute längst verboten sind, genutzt werden können und ihm dabei gegenüber etablierten Konkurrenten manchen wertvollen und geradezu konkurrenzlosen Vorsprung verschaffen.
Man hat große Ziele in Woking. Die Voraussetzungen, die auch zu erreichen, sind geradezu optimal. Es wird spannend sein, im Lauf des Jahres den Weg des 12C in die Fertigung und von dort in Kundenhand Schritt für Schritt mitzuverfolgen. Bereits in drei Jahren wird McLaren sein 50. Firmenjubiläum feiern können und dem 12C vielleicht schon zwei weitere McLaren-Sportwagen zur Seite stellen. Wenn alle Planungen umgesetzt werden, werden aus einem kleinen Team von einst 50 hoch engagierten Leuten, die einmal angetreten waren, in erster Linie Rennen zu gewinnen und dabei bis heute auf 1.500 Mitarbeiter gewachsen sind, dann rund 1.800 Mitarbeiter geworden sein. Die werden nicht nur Großbritanniens modernste Automobilfabrik betreiben, sondern auch die weltweit wegweisendste Manufaktur von Hochleistungssportwagen und so zeigen, dass die alte britische Auto-Tradition doch nicht völlig untergegangen ist.
Quelle: auto-reporter.net/Ingo von Dahlern
Fotos / Web: McLaren